Geschichte der Brille

Die als Sehhilfe für beide Augen auf die Nase gesetzte Lesebrille wurde im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts in der Toskana erfunden. Der Erfinder ist unbekannt, aber als mögliche Erfinder gelten Salvino degli Armati und Roger Bacon.

Laut Überlieferung soll bereits Archimedes (gest. 212 v. Chr.) die Brechungsgesetze von Linsen untersucht und einen am Kopf befestigten Kristall zur Sehkorrektur getragen haben. Seine Entdeckung fand in der Antike aber offenbar keine praktische Nachahmung.
Später verfolgte der römische Kaiser Nero (gest. 68) Gladiatorenkämpfe stets mit Sehhilfe: einem kunstvoll geschliffenen Diamanten. Marktreife erlangte die handwerkliche Meisterleistung jedoch nicht. Ob der Diamant vielleicht auch nur eine Laune des Regenten war, ist nicht überliefert.

Als das aus dem 11. Jahrhundert stammende Buch „Schatz der Optik“ des arabischen Mathematikers und Astronoms Alhazen (gest. ca. 1040) um 1240 ins Lateinische übersetzt und in Klosterbibliotheken verfügbar wurde, schlug eine Sternstunde der Optik. Alhazen beschrieb unter anderem die vergrößernde Wirkung eines Glaskugelsegments, des späteren „Lesesteins“, ohne jedoch seine Erkenntnis praktisch zu nutzen. Die Theorie des Arabers, die Schwierigkeiten alterssichtiger Mönche und deren handwerkliche Fähigkeiten kamen zusammen. Damals wurde wohl in einem Kloster der erste Lesestein aus Bergkristall geschliffen. Um die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts folgten Leseglas und Brille.

In seinem Werk „Die goldene Schmiede“ schrieb der mittelhochdeutsche Dichter Konrad von Würzburg (gest. 1287 in Basel): „Der Kristall hat in sich die große und gewaltige Art, sofern ihn jemand dünn schliffe und auf die Schrift halten wollte, der sähe durch ihn die kleinen Buchstaben größer scheinen.“

Die älteste Darstellung einer Brille findet sich auf den Fresken des italienischen Malers Tommaso da Modena im Kapitelsaal von San Niccolo in Treviso. Sie sind um 1352 entstanden. Auf dem Portrait des Kardinals Hugo von Provence ist eine Nietbrille dargestellt, die diesem fest auf der Nase sitzt.

Der sogenannte „Brillenapostel“ des weltberühmten Altars der Stadtkirche von Bad Wildungen, der 1403 von Conrad von Soest gemalt wurde, stellt die früheste Darstellung einer Brille nördlich der Alpen dar. Der Brillenapostel ist zu einem Symbol der evangelischen Kirchengemeinde Bad Wildungens geworden und findet sich heute in ihrem Siegel wieder.

Die ersten Brillen, die in Europa um 1280 aufkamen, hatten noch keine Bügel und besaßen konvex geschliffene Linsen, die sie nur für weitsichtige Menschen geeignet machten. Der englische Optiker Edward Scarlett baute 1727 die erste Brillenfassung. Zuvor waren auch andere Formen, wie die Befestigung von Linsen an einer Perücke ausprobiert worden.

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Fresko im Kapitelsaal von San Niccolo in Treviso.brillenapostel1403
Brillenapostel Bad Wildungen.